Elektronenorbitale zeigen, wo und wie sich Elektronen um Atomkerne und Moleküle bewegen. In der modernen Chemie und Physik werden sie für die quantenmechanische Beschreibung und Vorhersage chemischer Bindungen eingesetzt. Nur wenn sich die Orbitale räumlich und energetisch nahe sind, lassen sie sich kombinieren. Wie Michael Ramsey und Peter Puschnig vom Institut für Physik in Zusammenarbeit mit Physikern des Forschungszentrum Jülich zeigen konnten, gibt es jedoch noch eine weitere Voraussetzung, die erfüllt sein muss: die chemische Bindung zwischen organischen Molekülen und Metallen findet nur statt, wenn auch die Impulse der beteiligten Elektronen übereinstimmen. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht https://doi.org/10.1038/s41467-022-32643-z und zudem von den Editoren des Journals auf einer „Highlight“-Webseite aufgelistet: https://www.nature.com/collections/wtpqpqpgwd
Chemische Bindungen sind letztlich nichts anderes als der Auf- und Abbau von Elektronenbindungen, die üblicherweise mithilfe von Orbitalen beschrieben werden können. Mit Hilfe der sogenannten Photoemissions-Orbitaltomographie, die am Institut für Physik der Karl-Franzens-Universität Graz entwickelt wurde, lässt sich nun die Impulsverteilung in Orbitalen experimentell bestimmen. Dazu wurde eine Monolage des organischen Moleküls Para-Sexiphenyl, ein blaues Licht emittierender organischer Halbleiter, auf einer Kupferoberfläche aufgebracht und am Ellettra Synchrotron in Triest untersucht. Die Synchrotronstrahlung im fernen ultravioletten Spektralbereich löst Elektronen aus der Molekülschicht, deren Energie- und Winkelverteilung in einem Elektronenspektrometer vermessen wurde. Diese Daten zeigten zunächst unerklärliche Muster in der Impulsverteilung desjenigen Molekülorbitals, das in die Bindung mit dem Metall involviert ist.
Um diese Signaturen in der Impulsverteilung des Hybridzustands an der Grenzfläche zwischen dem Molekül und dem Metall erklären zu können, wurden aufwendige quantenmechanische Simulationen im Rahmen der Dichtefunktionaltheorie durchgeführt. Unter Berücksichtigung des gesamten wechselwirkenden Systems konnten die Simulationen die experimentellen Beobachtungen nicht nur reproduzieren, sondern förderten auch eine neuartige Auswahlregel zu Tage: Für das Zustandekommen chemischer Bindungen zwischen organischen Molekülen und Metalloberflächen müssen auch die Impulse der an der Bindung beteiligten Elektronen übereinstimmen.
Originalpublikation:
Momentum-selective orbital hybridisation
Xiaosheng Yang, Matteo Jugovac, Giovanni Zamborlini, Vitaliy Feyer, Georg Koller, Peter Puschnig, Serguei Soubatch, Michael G. Ramsey, F. Stefan Tautz
Nature Communications (Sept., 2022): https://doi.org/10.1038/s41467-022-32643-z