Die Quanteneigenschaften von Elektronen in Molekülen werden durch so genannte Orbitale beschrieben. In einer internationalen Kooperation mit Peter Puschnig von der Uni Graz, sowie drei weiteren deutschen Forschungsgruppen aus Marburg, Regensburg und Jülich, sollen diese Orbitale nicht nur sichtbar werden, sondern sogar deren Veränderungen in Zeitlupe gemessen werden. Für dieses Vorhaben wurden sie von der europäischen Union mit ihrer höchsten Forschungsförderung bedacht: einem ERC-Synergy Projekt, das unlängst gestartet ist.
Die Idee für „Orbital Cinema“ beruht auf einer Methode zur Charakterisierung von Orbitalen, die maßgeblich in Graz entwickelt wurde: der Photoemissions-Orbitaltomographie (https://en.wikipedia.org/wiki/Photoemission_orbital_tomography). Durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht werden dabei Elektronen aus einer Probe herausgelöst und deren Winkel- und Energieverteilung gemessen. Aus diesen Daten lässt sich mittels theoretischer Berechnungen dann auf die zugrunde liegenden Orbitale und damit auf die Quanteneigenschaften von Molekülen schließen. Im nun angelaufenen Projekt „Orbital Cinema“ soll diese Methode auch auf die Zeitdimension erweitert werden. Damit werden auch Veränderungen der Orbitale sichtbar, wie sie beispielsweise in Anregungen durch starke elektrische Felder oder bei chemischen Reaktionen auf Oberflächen stattfinden. Hierbei wird insbesondere jene Technik zum Einsatz kommen, für die auch der Nobelpreis für Physik 2023 vergeben wurde: ultrakurze Lichtpulse mit einer zeitlichen Auflösung bis hin zum Attosekundenbereich (der Milliardste Teil einer Milliardstel Sekunde).
Das Grazer „Orbital Cinema“-Team um Peter Puschnig, bestehend aus den Doktorand:innen Nina Kainbacher, Dominik Brandstetter, Siegfried Kaidisch sowie dem PostDoc Christian Kern, soll dabei die theoretischen Grundlagen liefern. Mit einer Veröffentlichung in der Zeitschrift Physical Review B gelang den Forschenden gleich ein erfolgreicher Start ins Projekt, und es konnte ein wichtiger Grundstein für ihr weiteres Vorhaben gesetzt werden. Optische Anregungen von Molekülen werden theoretisch durch korrelierte Elektron-Loch-Paare, sogenannte Exzitonen, beschrieben. Solche Quasiteilchen sind insbesondere für das Verständnis der fundamentalen Prozessen in Solarzellen oder Leuchtdioden von zentraler Bedeutung, ihre Beschreibung mittels Orbitaltomographie war jedoch bisher nicht möglich. Diese Lücke konnte nun mit der aktuellen Arbeit geschlossen werden, was einen wichtigen Schritt für die geplante Forschung an optisch angeregten Systemen und eine erfolgreiche Premiere für „Orbital Cinema“ bedeutet.
Link zur Publikation:
Christian S. Kern, Andreas Windischbacher, and Peter Puschnig, Photoemission orbital tomography for excitons in organic molecules, Physical Review B 108, 085132 (2023). https://doi.org/10.1103/PhysRevB.108.085132