Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik gilt als derzeit präziseste Theorie zur Beschreibung des Mikrokosmos. Mit Ausnahme der Gravitation kommt es in seiner Genauigkeit der Idee einer „Weltformel“, die alle Naturphänomene vereint, bedenklich nahe – und seit Jahrzehnten scheint keine bessere Theorie in Sicht.
Umso größer war die Aufmerksamkeit, die eine hartnäckige Abweichung bei den magnetischen Eigenschaften des Myons auf sich zog. Dieses Teilchen ähnelt dem Elektron, ist aber fast 200-mal schwerer. Anders als das Elektron kommt es nicht natürlich auf der Erde vor, sondern entsteht in der oberen Atmosphäre durch kosmische Strahlung – oder künstlich in Teilchenbeschleunigern, wo es gezielt erzeugt werden kann.
Besonders interessant ist das Verhalten von Myonen in Magnetfeldern. Das magnetische Moment des Myons schien in Messungen am US-amerikanischen Fermilab beharrlich von dem Wert abzuweichen, den das Standardmodell vorhersagt. Diese Abweichung ließ sich in den vergangenen Jahren mit wachsender Präzision bestätigen und weckte damit die Hoffnung auf Hinweise für bislang unbekannte Physik.
Um der Sache auf den Grund zu gehen, nahm ein internationales Forschungsteam die theoretische Seite der Anomalie unter die Lupe. Über 200 Wissenschafterinnen und Wissenschafter beteiligten sich an der Muon g-2 Theory Initiative, darunter Gruppen der TU Wien, der Universität Wien und die Forschungsgruppe von Gernot Eichmann an der Universität Graz. Nun wurde eine neue Studie zur Veröffentlichung eingereicht. Die größte Unsicherheit in der theoretischen Vorhersage stammt dabei aus der Quantenchromodynamik, der Theorie der Starken Wechselwirkung. Mit Hilfe numerisch aufwändiger Gitterrechnungen, deren Genauigkeit in den letzten Jahren stark verbessert worden ist, konnte nun eine Übereinstimmung mit dem experimentellen Wert erreicht werden. Damit löst sich der lang anhaltende Widerspruch um das magnetische Moment des Myons auf, und das Standardmodell der Teilchenphysik hat sich – einmal mehr – fulminant bestätigt.